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Wer hätte gedacht, dass OKTO seinen 17. Geburtstag am 28. November 2022 noch erleben würde? Nach dem überraschenden Förderstopp durch die Stadt Wien im April dieses Jahres war die Zukunft unseres Community-Senders mehr als ungewiss. Nur dank umfassender Umstrukturierungs- und Einsparungsmaßnahmen war es uns möglich, den Betrieb von OKTO aufrechtzuerhalten, den vielen, größtenteils ehrenamtlichen Produzent:innen weiterhin die Ausstrahlung ihrer Sendungen sicherzustellen und unsere Zuseher:innen mit dem täglichen Programm zu versorgen.

Natürlich sind der Wegfall der Subvention und die damit verbundene Kürzung unseres Budgets um gut zwei Drittel auch an der personellen Aufstellung nicht spurlos vorübergegangen: Die Belegschaft musste von etwa 20 Vollzeit-Äquivalenten auf fünf reduziert werden. Fast vollständig aufgeben mussten wir unsere Bildungsangebote im Bereich Medienkompetenz (regelmäßige Workshops zu Urheberrecht, Kameraführung, Interviewtechniken, Mobile Reporting, Postproduktion usw.). Auch die Lehrredaktion, eine viel genutzte, unkomplizierte Gelegenheit für junge Menschen, sich journalistisch auszuprobieren und TV-Erfahrung zu sammeln, sowie unsere zwei Praktikumsstellen sind dem Förderstopp durch die Stadt Wien zum Opfer gefallen.

Warum ist das so ein Skandal? Neben öffentlich-rechtlichen und privaten bilden partizipative Medien wie OKTO in Wien, FS1 im Salzburg und DORFTV in Oberösterreich das dritte Standbein des heimischen Mediensystems und sorgen, um ein Bild aus der Anatomie zu bemühen, für eine gut durchblutete Demokratie. Denn Mitmachmedien bieten eine wunderbare Chance, sich am gesellschaftlichen Diskurs zu beteiligen. Alles, was man braucht, um bei OKTO on air zu gehen, ist eine gute Idee. Alles weitere – technisch-kreativen Support für Konzeption und (Post-)Produktion, ein TV-Studio, Promotion und ein Sendeplatz in der Primetime – wird von uns zur Verfügung gestellt. Durch dieses niederschwellige Angebot fungieren Community-Medien wie OKTO als Sprungbrett für unentdeckte Medientalente und Plattform für medial unterrepräsentierte (weil zum Beispiel nicht-deutschsprachige) Communities. So haben nicht wenige, heute bei großen Rundfunkanstalten beschäftigte Journalist:innen und Techniker:innen ihre ersten Karriereschritte bei OKTO unternommen und viele in der kommerziellen Medienlandschaft kaum existente Gruppen ihre Anliegen und Themen selbstbestimmt in die Öffentlichkeit tragen können. Dem größten Community-Sender Österreichs die Basissubvention zu streichen, heißt – um beim Vergleich mit dem menschlichen Körper zu bleiben – der Demokratie einen Arm abzutrennen.

Eine lobende Erwähnung finden Österreichs partizipative Medien auch in einem Bericht des Europarates zur Bedeutung von Community-Medien für den Dialog und die Vielfalt in Europa. Dabei ist anzumerken, dass der Zeitpunkt der Veröffentlichung vor dem Förderstopp durch die Stadt Wien liegt. Im Bericht wird ausdrücklich betont, wie wichtig – gerade inmitten von Inseratenaffären und anderen Medienskandalen – eine effektive Medienförderung für die Beibehaltung dieser medialen Diversität ist. Angesichts der Hervorhebung Österreichs als Land mit einer besonders vielfältigen Community-Medienlandschaft, erscheint die Entscheidung der Stadt Wien, die Subvention des größten heimischen Community-Mediums einzustellen umso befremdlicher.

Wie sieht nun also die aktuelle Lage aus? Abgesehen vom Sendungsbetrieb, der in seiner gewohnten Form weitergeführt wird, haben wir uns in den letzten Monaten intensiv auf die Suche nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten gemacht. Einen ersten Erfolg konnten wird durch die Teilnahme an einem länderübergreifenden Projekt der OSCE (www.osce.org/emindful), in dem es um die Bestärkung eines Migrationsnarrativs jenseits von Stereotypen und Polemik geht, verzeichnen. Ebenfalls wurde bei der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR-GmbH) zum zweiten Einreichungstermin eine Förderung aus dem Fonds zur Förderung der digitalen Transformation beantragt. Damit wollen wir aus dem bisherigen Überlebensmodus heraus wieder in eine Wachstums- und Erneuerungsphase treten und uns Projekten zur Verbesserung unseres Webauftritts, zur Entwicklung einer OKTO-App und zur Ausweitung der digitalen Autonomie unserer Produzent:innen widmen.

Zusätzliche Einnahmequellen sehen wir momentan vor allem in Auftragsproduktionen und Stream-Übernahmen sowie in der Wiederaufnahme von Sponsoring- und Patronanzverträgen. Leider zwingt uns die derzeitige finanzielle Lage, all unsere Entscheidungen unter vorwiegend wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu fällen. Von dem einstigen kreativen Spielraum ist wenig übrig – auch externe Projekte, die wir früher unentgeltlich und aus reiner Überzeugung auf die Beine gestellt haben, gehören vorerst der Vergangenheit an.

Trotz einiger ersten Erfolge bleibt es für OKTO mühsam: So müssen wir ab nun einen nicht unerheblichen Teil unserer Ressourcen der laufenden Suche nach finanzieller Absicherung widmen. Die eingeschränkte Planbarkeit erschwert es uns auch, Mitarbeiter:innen eine langfristige Anstellung über den Zeitraum der jeweiligen Einzelförderung hinaus in Aussicht zu stellen. Ebenso leidet die Betreuung unserer 300-500 ehrenamtlichen Produzent:innen durch die stark dezimierten Mittel. So können wir weniger schnell auf neue Anfragen reagieren, weniger Unterstützung in Form von eigenen Produktionsteams anbieten, weniger unentgeltliche Beiträge für Kunst- und Kultureinrichtungen produzieren u. v. a. m. Besonders schmerzt uns auch, dass wir unser Bildungsangebot nicht im bisherigen Umfang weiterführen können, um auch Nicht-Produzent:innen den Einstieg in die Welt des Fernsehmachens zu erleichtern.

Nach wie vor sind wir schockiert darüber, dass die Regierung einer so vielfältigen, multikulturellen Millionenstadt wie Wien dem einzigen lokal ansässigen Community-TV-Sender die finanzielle Grundlage entzogen hat. Wir geben aber nicht auf und versuchen weiterhin, jeder und jedem eine Stimme zu geben. OKTO bleibt laut!



Rückfragehinweis:

OKTO Community TV-GmbH

Mag. Dr. Christian Jungwirth, MBA

Geschäftsführung

+43 1 786 2442-12

pr@okto.tv

www.okto.tv



OKTO Community TV-GmbH

Clara Rotsch

Marketing & PR

+43 1 786 2442-22

pr@okto.tv

www.okto.tv

Über Okto

Als nichtkommerzieller TV-Sender ist Okto seit Herbst 2005 mediale Plattform für eine pluralistische Gesellschaft. Der Mitmachsender bietet interessierten Menschen und Communities die Möglichkeit, ihre Themen und Anliegen selbstbestimmt ins Fernsehen zu bringen. Okto vermittelt das entsprechende Know-how und stellt die technische Infrastruktur sowie die Programmplätze bereit. Mit seinen vielfältigen, immer wieder ungewöhnlichen und oft widerspenstigen Inhalten bietet das partizipative Medium seinen Zuseher*innen ein interessantes Komplementärangebot, in dem vieles Platz hat, was weder im öffentlich-rechtlichen noch im privat-kommerziellen Fernsehen zu sehen ist.

Weitere Informationen über Okto erhalten Sie hier: Über Okto.